🌨️ Frau Holle
Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter. Die eine war schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Doch weil die Faule ihre leibliche Tochter war, wurde sie von der Mutter bevorzugt, während die Fleißige Tag für Tag harte Arbeit verrichten musste.
Eines Tages saß das fleißige Mädchen am Brunnen und spann. Ihre Spindel fiel ihr dabei ins Wasser. Aus Angst vor der Strafe der Stiefmutter sprang sie hinterher – und fiel in eine andere Welt.
Sie erwachte auf einer blühenden Wiese, in einem fremden Land. Bald kam sie an einem Backofen vorbei, aus dem Brote riefen: „Zieh uns heraus, wir sind schon längst fertig!“ Das Mädchen nahm sich eine Schaufel und tat es. Dann kam sie an einen Apfelbaum, dessen Äpfel riefen: „Schüttel uns, wir sind reif!“ Auch das tat sie mit Freude.
Schließlich gelangte sie zu einem kleinen Haus, aus dem eine alte Frau mit großen Zähnen herausschaute. Doch die Frau sprach freundlich und sagte: „Ich bin Frau Holle. Wenn du bei mir bleibst und mir im Haus hilfst, wirst du es gut haben. Achte nur darauf, dass du mein Bett ordentlich ausschüttelst – denn wenn du das tust, schneit es auf der Erde.“
Das Mädchen blieb, war fleißig, freundlich und tat stets, was Frau Holle ihr auftrug. Nach einer Weile aber bekam sie Heimweh. Frau Holle führte sie zu einem großen Tor und sprach: „Weil du so treu gedient hast, sollst du reich belohnt werden.“ Als das Mädchen durch das Tor trat, fiel ein Goldregen auf sie, der an ihr haften blieb. Auch die verlorene Spindel bekam sie zurück, und sie kehrte strahlend heim.
Als die Stiefmutter das sah, wollte sie, dass auch ihre faule Tochter so viel Gold bekommt. Also schickte sie auch sie zum Brunnen. Das Mädchen sprang hinein, kam ebenfalls in Frau Holles Welt – doch sie war faul, tat ihre Arbeit nicht richtig, ließ Brote verbrennen und Äpfel hängen. Auch das Bett schüttelte sie nur nachlässig.
Als sie schließlich ging, belohnte Frau Holle sie auf ihre Weise – doch statt Gold fiel Pech auf sie, das nie mehr abging.
Und so lernte man im ganzen Land: Wer fleißig, freundlich und hilfsbereit ist, dem wird Gutes widerfahren – und wer faul und eigensinnig ist, bekommt, was er verdient.